Die Edition Baluzes


Es begann mit einer Schiffsreise im September 1660: Der damalige Erzbischof von Toulouse, Pierre de Marca (gest. 1662), hielt den heutigen Codex Barcelona, Archivo de la corona de Aragón, Ripoll 40 (unsere Sigle: Bc) in Händen und las vor, sein Sekretär und Mitarbeiter Étienne Baluze (1630-1718) verglich die Edition Pithous und notierte die Varianten. Siebzehn Jahre später legte Baluze seine große, zweibändige Edition vor:

Capitularia Regum Francorum. Additae sunt Marculfi monachi et aliorum formulae veteres, et Notae doctissimorum virorum. Stephanus Baluzius Tutelensis in unum collegit, ad vetustissimos codices manuscriptorum emendavit, magnam partem nunc primum edidit. Notis et indice illustravit. Parisiis. Excudebat Franciscus Muguet Regis et illustrissimi Archiepiscopi Parisiensis typographus. MDCLXXVII. Cum privilegio regis.

Heute wird die Edition Baluzes in der Regel in der von P. de Chiniac 1780 herausgebrachten Neuauflage, die Mansi Bd. 17B nachgedruckt ist, benutzt. Diese Ausgabe liegt auch dem hier gebotenen Text zugrunde. Bis auf den verlorenen Codex der Kathedralkirche von Beauvais und einer verbrannten Handschrift aus Metz sind alle von Baluze benutzten Handschriften erhalten und bekannt. Die editorische Leistung Baluzes fand hohe Anerkennung und hatte für Jahrhunderte Bestand. Gleichwohl gilt: "Es ist dies natürlich keine kritische Ausgabe" (Ganshof), und Emil Seckel hat von den "halbkritischen Anwandlungen" gesprochen, denen Baluze manchmal erlegen sei. Dennoch ist sein Text der beste, den es bis heute von Benedicts Sammlung gibt: Die Monumenta-Ausgabe (MGH LL 2,2, 1837) ist im Grunde ein "korrigierter" Nachdruck, wobei sich die Korrekturen durch den Baluze noch unbekannten Cod. Gotha, Forschungsbibl. I 84 ergaben, den der junge Ludwig Bethmann in Pertzens Auftrag verglich: Seckel hat harte Worte für das Ergebnis gefunden: "Pseudokritisch" sei diese Edition, einen "Mischtext eigener Mache" habe Pertz produziert, die Kenntnis des Gothanus sei "dissimuliert", "einen willkürlich interpolierten Text des ihm allein bekannten Gothanus (habe) Pertz ohne Besinnen an die Stelle des guten der ed. Baluz. gesetzt" usw. Die Editio Baluziana bleibt also weiter zitierfähig und wird deshalb hier dargeboten. Auf die ebenfalls häufig zitierte Monumenta-Ausgabe kann hier nur verwiesen werden: Die Mühe, einen elektronischen Text herzustellen, hätte den Ertrag nicht gelohnt.

Lit.: Zu Baluze G. Mollat, Art. "Baluze", in: Dictionnaire d'histoire et de géographie ecclésiastique 6 (1931) Sp. 439-452; die Handschriften sind außer bei Seckel (Benedictus Levita decurtatus et excerptus, auf dieser WWW-Site) behandelt von Wilhelm A. Eckhardt, Die von Baluze benutzten Handschriften der Kapitularien-Sammlungen, in: Mélanges offerts par ses confrères étrangers à Charles Braibant (1959) S. 113-140. Zur Edition und Editionsmethode Gerhard Schmitz, MGH Capit. N.S. 1 (1996) S. 400–406.

G.Sch.