Einführung
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Die kritische Edition der um die Mitte des 9. Jahrhunderts im Kreis der pseudoisidorischen Fälscher verfertigte, drei Bücher mit insgesamt mehr als 1700 Kapiteln umfassende ‘Kapitulariensammlung’ des Benedictus Levita, die sich als Fortsetzung der wesentlich kleineren Collectio des Abtes Ansegis von Fontanelle ausgibt, hat eine lange und leidvolle Geschichte.

Immer noch fußt die Wissenschaft auf der 1677 erschienenen Ausgabe von Étienne Baluze, die für ihre Zeit eine exzellente Leistung darstellt, aber heutigen Ansprüchen nicht mehr genügt.

Die im Rahmen der Leges-Edition der Monumenta 1837 erschienene Ausgabe ist im Grunde nichts anderes als ein überarbeiteter Nachdruck der Baluzianischen: Pertz lag an der Edition Benedicts nicht sonderlich viel, u.a. weil er meinte, dessen Sammlung habe im Gegensatz zu der des Ansegis „in Deutschland nie öffentliche Geltung gehabt“. Deshalb beschränkte er sich darauf, den jungen Ludwig Bethmann mit einem Vergleich der Baluze noch unbekannten Gothaer Handschrift I 84 und Friedrich Heinrich Knust mit einer Quellenanalyse zu beauftragen. So wollte er Baluzes Ausgabe, von der er im übrigen eine hohe Meinung hatte, „notdürftig ... berichtigen“ und ansonsten „der Nachwelt überlassen, darin mehr zu tun“. Das Ergebnis war ein merkwürdiger Mischtext, der im ganzen nicht besser ist als der von Baluze gebotene, teilweise sogar hinter ihm zurückbleibt.

Es war deshalb unstrittig, daß die Sammlung Benedicts zu den dringenderen Editionsdesiderata gehörte, als die Zentraldirektion eine Neuedition beschloß, nachdem die Folio-Ausgaben vergriffen waren und namentlich die Untersuchungen von Alfred Boretius die Revisionsbedürftigkeit der Pertzschen Ausgaben deutlich gemacht hatten. Aber weder Boretius noch der als sein Nachfolger vorgesehene, hoch begabte Victor Krause sind bis zur Sammlung Benedicts überhaupt vorgestoßen. Krause starb, über den Korrekturen des Registers zum zweiten Kapitularienband sitzend, 1896 im Alter von nur 31 Jahren.

Die Zentraldirektion übertrug die Editionsaufgabe noch im selben Jahr Emil Seckel, damals junger Privatdozent an der Berliner Universität. Seckel hat bis zu seinem Tode 1924 an Benedict gearbeitet: Er hat Bahnbrechendes auf dem Gebiet der Quellenkritik geleistet, aber die Edition selbst hat er nicht mehr in Angriff genommen. Seckels ‘Nachfolger’ Josef Juncker hat die quellenkritischen Studien weitergeführt, aber auch er ist in den Ansätzen zur Edition stecken geblieben. Immerhin: auf ihn dürften jene merkwürdigen Probeblätter zurückgehen, die als „schedulae pseudoisidorianae“ im Archiv der Monumenta erhalten sind.

Der nach Junckers Tod 1938 mit der Fortführung beauftragte Johannes Hollnsteiner hat nichts Erkennbares mehr für die Edition geleistet, und so starb schließlich das ganze Projekt. Horst Fuhrmann stellte 1972 lakonisch fest: „Eine Neuausgabe der Kapitulariensammlung des Benedictus Levita im Rahmen der MG ist zur Zeit nicht vorgesehen“.

Erst 1998 hat die Zentraldirektion eine Wiederaufnahme des Editionsplanes beschlossen: Geplant ist sowohl eine Buch- wie eine elektronische Version. Von 1998 wurde das Projekt drei Jahre von der DFG gefördert.

Literaturhinweis: Gerhard SCHMITZ, „Unvollendet“ – „Eingestampft“ – „Kassiert“. Nie Erschienenes und Mißglücktes, in: Zur Geschichte und Arbeit der Monumenta Germaniae Historica. Ausstellung anläßlich des 41. Deutschen Historikertages München, 17.–20. September 1996, Katalog (1996) S. 64–73. DERS., Benedictus Levita, in: HRG2, 3. Lfg. (2005) Sp. 520–522.

G.Sch.


Stand: 2008-01-29